Neulich beim Lesen eines Blogartikels. Während ich mir die, am Freitag übliche, Lesezeit von Blogartikeln gönnte, kam das Thema „Geschäftsberichte lesen“ auf. (Na, kommt euch der Abschnitt ein bisschen bekannt vor? ;) Pascal von fyoumoney.de berichtete, wie er seinem Kollegen bei der Erzählung über die Analyse von Unternehmensberichten zuhörte. Geschäftsbericht seien zu lang, es frisst unglaublich viel Zeit und was bringts? „Naja„, meint Pascal, „eigentlich nichts„.
Das Zwischenfazit: Die Informationen täuschen Sicherheit vor, wir Menschen können so viel eh nicht verarbeiten, und der Conformation Bias schlägt ultimativ hart zu. Die Meinungen in der Kommentarspalte sind gespalten. Manche der Leser meinen, die Analyse zahlt sich schon (ein wenig) aus, die Mehrheit geht mit Pascal d’accord. Ich schließe mich der letzten Gruppe an. Geschäftsberichte durchackern – nein danke.
aaaaaber…
dann war meine Frage sofort: „Gibt es vielleicht eine andere, viel schnellere Möglichkeit einen Geschäftsbericht zu lesen?“
Die gibt es. Es ist eigentlich nur eine Idee. Es ist auch kein richtiges lesen. Es ist mehr ein Verstehen auf einer Meta-Ebene. Vielleicht wirst du am Ende des Beitrags entweder den Kopf schütteln, oder interessiert sein…oder beides…und dann einen Kommentar hinterlassen, der sich gewaschen hat. Versprechen kann ich dir, dass die Bewertung eines Unternehmens aufgrund eines Geschäftsberichtes mit dieser Methode auf jeden Fall spannender als das triste Durchblättern ist.
Die Idee
Nachdem ich also am Schreibtisch saß und den Artikel von Pascal durchgelesen hatte, kam die Frage nach einem schnellen und relativ objektiven Lesen von Geschäftsberichten auf. Wie ist es möglich, etwas aus dem Unternehmensbericht herauszuziehen, aber ohne sehr viel Aufwand?
Ist es nicht. Das ist eure Antwort. Das ist das Fazit. Bitteschön.
Nein, im Ernst. Nach einiger Zeit kam ich auf eine Idee. Man könnte doch den Bericht von einem Programm lesen und anschließend bewerten lassen. Hah. Gesagt getan, ich ging ans Werk und schmiedete einen Schlachtplan, um die Langeweile aus der oftmals vertretenen Meinung „Geschäftsberichte durchackern – Zeitverschwendung“ auszutreiben. Mein Werkzeug: R.
Die Idee wanderte durch weitere Areale in meinem Hirnkastl und zahlreiche Neuronen bildeten mit Jauchzen und lautem Juche einen strukturierten Plan. Gut, ich wusste was ich wollte und wie die Bewertung am Ende aussehen sollte.
Zuvor musste ich aber noch ein bisschen recherchieren. Ein paar Klicks hier, ein paar nette Flüche hier, und los ging es.
Geschäftsbericht lesen – the short way
Zuerst musste ich einen Geschäftsbericht finden. Bei einem kurzen Ausflug auf der Insel Google entschied ich mich für den Quartalsbericht von Netflix (Shareholder Letter). Nettes Unternehmen, und erst vor kurzem (22. Januar) veröffentlicht. Gut, der Bericht ist relativ kurz, den könnte man sogar lesen, aber das macht nichts. Außerdem interessiert uns das ja nicht. Wir wollen Effizienz!
Kurz darauf werkelte ich schon in RStudio. Zuerst holte ich mir den Bericht auf der Unternehmensseite. Dann speicherte ich den gesamten Bericht in einer Variable und wandelte die Satzkolonne in ein geeignetes Format um, damit die weitere Verarbeitung möglich ist. Anschließend gab es noch ein paar Zwischenschritte, aber die erspare ich euch jetzt.
Kurz und knapp: Eine Filterung von unnötigen Wörtern ermöglichte es mir, die wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Begriffe herauszufinden. Das ist alles sehr abstrakt beschrieben. Sehen wir uns an, wie das konkret aussieht:
Wir erhalten eine Wordcloud. Die wichtigsten bzw. häufigsten Begriffe in dem Report sind fetter. Ja, Zahlen sind auch noch dabei, die sollen uns aber nicht weiter stören, weil sie im nächsten Schritt gefiltert werden.
Also weiter…nein Moment. Sehen wir uns das noch kurz genauer an. Wir haben mit der Wordcloud einen visuellen Überblick bekommen, welche Wörter oft verwendet werden und über was in dem Bericht geschrieben wird und mit welchen Themen wir rechnen können. Die Analyse ihres Contents steht demnach im Vordergrund. Das macht Sinn, Netflix ist schließlich eine Plattform, auf der es um nichts anderes geht. Die Annahme hält der manuellen Überprüfung (in diesem Fall ansehen des Pdfs) stand.
Im nächsten Schritt analysieren wir die Stimmung des Berichts. Dazu vergleichen wir die Wörter im Bericht mit Wörtern in einem speziellen Lexikon. Warum speziell? In diesem Lexikon sind Begriffe einer Stimmung zugeordnet (Furcht, positiv, negativ…).
Ein bisschen Code hier, ein bisschen analysieren da. Am Ende sieht die Analyse so aus:
Na, das ist doch mal eine Grafik! Wir haben ausgewertet, wie der Text „wirkt“. Auf der X-Achse sehen wir die Emotionen, auf der Y-Achse die Häufigkeit. Auffallend ist, dass der Geschäftsbericht extrem positiv geschrieben ist (oder genauer: viele positiv konnotierte Wörter enthält). Wir nehmen an: Netflix blickt positiv zurück, bzw. nach vorne. Schließlich erkennen wir auch, dass wir Netflix vertrauen sollen. Das Unternehmen will eine gewisse Sicherheit ausstrahlen. Auch negatives ist zu finden, es hält sich aber in Grenzen.
Zusammengefasst: Die Stimmungsanalyse zeigt uns einen positiven Ausblick.
Hier gleich Worte der Warnung: Mir ist durchaus bewusst, dass Unternehmensberichte die positiven Seiten des Unternehmens und Agierens hervorheben wollen. Deshalb sollte man diesen Analysen auch skeptisch gegenüber stehen. Bei einigen anderen Auswertungen von Geschäftsberichten sind aber große Unterschiede im Ergebnis aufgefallen, die eventuell den Schluss zulassen, dass sich negatives nicht so einfach verstecken lässt.
Theorie = Praxis?
Und in der Praxis? Auch hier hält unsere Analyse einer Überprüfung stand. Einige News und Einblicke:
Motley Fool – The Best Part About Netflix’s Earnings Report
„However, the most impressive part of Netflix’s report, and the biggest reason for shareholders to cheer, is that subscriber growth accelerated even as the company raised prices.“
Business Insider – Netflix blew past subscriber growth targets in Q4, and the stock is soaring to record highs
„This result should wash away any lingering doubts about the effect Netflix’s price hike would have on subscriber retention in the US, as Netflix posted 1.98 million net adds in the US in Q4, above Wall Street forecasts of 1.29 million, and its own guidance of 1.25 million. It also blew past international growth targets.“
Kursentwicklung
Auch die Kursentwicklung passt zu der Analyse. Interessant.
Was können wir daraus ableiten?
- Wir können mit dieser Vorgehensweise das „Theme“ eines Geschäftsberichts schnell erfassen
- Wir können vorsichtige Aussagen darüber treffen, ob das Unternehmen in eine positive oder negative Richtung steuert/prognostiziert
- Wir sparen uns ein langwieriges Durchlesen um die Grundstimmung zu erfassen, nehmen aber einen Informationsverlust in Kauf.
Wie schon angemerkt ist das eine Idee, um einen Unternehmensbericht schnell zu erfassen. Das würde sich für interessierte-uninteressierte Leser eigenen, um einen schnellen Einblick in die Stimmungslage des Unternehmens zu bekommen. Ein Garant für Kausalität und Richtigkeit ist die Analyse aber nicht, dass sollte klar sein. Auch Schwächen hat diese Vorgehensweise. Die Wörterbücher müssen alle Begriffe enthalten und „richtig“ bewerten. Auch bei der Analyse von Netflix sind einige wichtige Wörter nicht gezählt worden.
Werde schnellererer!
Es gibt Möglichkeiten, effizienter beim „Lesen“ eines Geschäftsberichts vorzugehen. Die Idee der Stimmungsanalyse ist meiner Meinung nach sehr interessant, weil ein Unternehmen realistische Annahmen über die Zukunft an die Investoren weitergeben muss. Klar, die kommen verschriftlicht meistens sehr positiv daher, aber es lässt sich nicht alles verschleiern, vor allem nicht im Fachjargon. Wer also keinen Bock auf Geschäftsberichte hat, aber dennoch einen Einblick in die Unternehmenslage bekommen will, der könnte auf diese Art und Weise zumindest vorsichtige Annahmen treffen.
Cheers.