Ja, ich weiß. Diagramme erstellen und interpretieren ist doch easy und kann eh jeder, oder? Anscheinend nicht, denn wie wir sehen werden sind auch Banken nicht von Fehlern gefeit.
Aber bevor wir auf die „realen“ Daten zugreifen, gilt es, ein paar Dinge zu lernen. Wenn du das schon alles weißt – super. Vielleicht benötigst du eine Auffrischung oder willst noch etwas in den Kommentaren zu dem Blogpost beitragen?
Wenn du noch wenig über Diagramme weißt, noch besser! Diese Tipps können dich zu einem kritischeren Leser von Geschäftsberichten, statistischen Veröffentlichungen und allgemeinen Informationen (Zeitung) machen. Dieser Post ist etwas für dich, wenn
- du eine Auffrischung in der Interpretation von Grafiken benötigst
- keinen Plan von Diagrammen hast und eine einfache Erklärung suchst
- du Diagramme kritisch hinterfragen willst
- du „mehr“ aus Diagrammen herauslesen willst
Was kannst du nach diesem Blogpost?
- Du weißt mehr über die grafische Darstellung „von Zahlen“
- Diagramme auf ihre Plausibilität prüfen
- Diagramme besser verstehen und lesen
- Die besseren Diagramme erstellen
Zuerst sehen wir uns Diagramme allgemein an und achten auf typische Fehler. Dann kommen Beispiele aus dem Alltag, die zeigen sollen, dass der erste Eindruck manchmal trügt. Anschließend kommen wir zu der Erstellung von Diagrammen und beschäftigen uns speziell mit dem Kreisdiagramm.
Wie lese ich ein Diagramm? Die kleine Lehre der Statistik
Sehen wir uns ein einfaches Diagramm an, dass mehrere fiktive Analysten-Bewertungen (1-5, Schulnotensystem) von einem Unternehmen darstellt:
Wir haben hier eine schöne Darstellung, bei der sich alle notwendigen Informationen schnell erfassen lassen. Auf der x-Achse sind die Bewertungen von 1 bis 5 eingetragen, auf der y-Achse die Prozentzahlen. Wir sehen auf dem ersten Blick, wie viele 1, 2, 3, 4 und 5er Bewertungen es prozentuell gegeben hat. Stimmt, wir können es nicht ganz genau ablesen. Die konkreten Zahlen müssten wir in einer Zusatzangabe nachlesen. Dennoch: Wir können schnell erfassen, was Sache ist. Super, erste Grafik gecheckt.
Die zweite Grafik sieht so aus:
Was denkst du? Die Bewertung „Drei“ ist aber echt oft vergeben worden, oder? Einser und Zweier hat es kaum gegeben. Nee, nicht ganz. Aber du hast es wahrscheinlich schon längst erkannt, was das Problem ist: Die y-Achse beginnt erst bei 10% und verfälscht damit den visuellen Eindruck, die Daten an sich sind dieselben wie in der letzten Grafik. Genau dieses Bild bleibt bei uns hängen, wenn wir uns nicht näher mit der Grafik beschäftigen.
Noch schlimmer wird es, wenn die Reihenfolge der Bewertungen auf der x-Achse vertauscht wird. Das passiert, wenn man die Bewertungen Aufsteigend oder Absteigend ordnet. Dann entsteht der erste Eindruck, dass es viel mehr Einser- als Dreier-Bewertungen gegeben hat, obwohl die x-Achse etwas anderes zeigt.
Diese zwei Beispiele sind eine gute Einführung. Was haben wir gelernt?
- Nicht vom ersten Eindruck leiten lassen
- Auf Achsenbeschriftungen (x,y) achten
- Skalierung beachten (Fängt y bei 0 an?)
- Proportionen allgemein ansehen (Sind in einem Diagramm die Balken gleich hoch, sind aber mit verschiedenen Zahlensprüngen beschrieben?)
Beispiele – auch Banken „spielen“ mit Diagrammen
Wer jetzt glaubt, dass diese einfachen Überlegungen irrelevant sind, der irrt. Sehen wir uns ein paar Beispiele aus dem alltäglichen Leben an.
Im Geschäftsbericht einer großen Bank habe ich diese Grafik gefunden:
Dazu heißt es: „Die im Vergleich sehr niedrige Risikokennzahl spiegelt den konservativen Umgang mit Zinsrisiken wieder.“
Aber was haben wir eben gelernt? Die Achsen sind wichtig, weil sonst die Skalierung nicht stimmt. Beginnt Y bei 0, sieht die Grafik ungefähr so aus:
Ist die Risikokennzahl im Vergleich noch immer so gering? Entscheidet selbst. Entweder hat die Bank die Daten direkt aus einer Excel-Darstellung übernommen und vergessen die Skalierung zu verändern, oder es war Absicht. Dem Wortlaut nach müsste man zweiteres annehmen…aber wie immer gilt in dubio pro reo.
Habt ihr auch schon einmal falsche, unsinnige oder „interessant-skalierte“ Diagramme gesehen? Schreibt es mir in die Kommentare!
Ein weiteres Beispiel (das auch in Statistik-Vorlesung gerne gezeigt wird) zeigt die Studienanfängerquote in Deutschland. Visuell zeigt die erste Darstellung einen krassen Anstieg der Studienanfängerquote. Zumindest scheint es so. Aber auch hier ist auf die Skalierung zu achten. Wenn die Y-Achse bei null beginnt, sieht dieser extreme Anstieg schon etwas anders aus. Es sind noch immer die gleichen Prozentwerte, allerdings sind visuelle Eindrücke immer stärker als zahlenbasierte. Warum? Weil wir grundsätzlich zahlenfaul sind 😉 „Nananana, als Investor bin ich sehr wohl rational Zahlenorientiert!“ Ok, ok, das war eine krude Unterstellung. Trotzdem aufpassen, ne ;).
Übrigens: Denkst du auch schon an deine Vorsorge oder an einen langfristigen Vermögensaufbau? Du hast keinen Bock auf 0,25 % Zinsen? Du willst nicht spekulieren, sondern langfristig Investieren, weißt aber nicht, wie das funktioniert? Dann ist mein Investitionsguide ein super Start! In dem Beitrag erkläre ich dir das Basiswissen rund um die Börse und den sinnvollen Vermögensaufbau.
Was kannst du bei der Erstellung von Diagrammen beachten?
Achte auf die Dinge, die wir bereits besprochen haben. Also die Skalierung, Proportionen und auf richtige und sinnvolle Beschriftungen.
Merke dir außerdem diesen Satz: „Die einfachste Darstellung ist die beste Darstellung.“
Es gibt tausende fancy Grafiken, die du in Excel oder anderen Programmen auswählen kannst. Allerdings sind die vermeintlich schönsten Diagramme die schlechtesten. Bei einer 3D-Grafik kann man die zugehörigen Y-Werte meistens nicht gut erkennen und bei Kreisdiagrammen mit vielen Merkmalen sinkt schnell die Übersichtlichkeit.
Bleiben wir bei einem Kreisdiagramm, das man relativ häufig in Berichten findet. Als Beispiel habe ich ein Diagramm willkürlich aus der Google-Suche eingebunden:
Warum ist die Wahl dieses Kreisdiagramms schlecht? Weil man klar ablesen können sollte, welcher Abschnitt größer und welcher kleiner ist. In diesem Fall können wir nur schwer vergleichen. Erst die Legende klärt uns über die Unterschiede auf. Das ist aber mehr Arbeit, als gleich auf ein sinnvolles Diagramm zu setzen.
Für mehrere Einheiten ist daher ein Balkendiagramm besser geeignet, weil sofort die Relationen zueinander erkennbar sind.
Hier ein Vergleichsbeispiel:
Kreisdiagramme sind sowieso in den meisten Fällen eine eher schlechte Darstellungsart. Bei vier Einheiten ist es aber nützlich. Hier bleibt das Chart übersichtlich.
Du willst mehr über die Darstellung von Kreisdiagrammen wissen? Dann check den tollen Artikel „Save the Pies for Dessert“ (Visual Business Intelligence Newsletter) von Stephen Few aus.
Meister der Diagramme
Ich habe euch einige wichtige Tipps zu Diagrammen gegeben. Alles in einem:
Lasst euch nicht von visuellen Darstellungen blenden. Achtet speziell auf die Achsen. Was ist bei der Erstellung von Diagrammen zu beachten? Sinnvolle Beschriftungen sollten nicht fehlen und die richtige Diagramm-Auswahl ist ein Muss. Seht euch vor allem Kreisdiagramme zweimal an und entscheidet dann, ob nicht ein anderes Diagramm stattdessen sinnvoll wäre. Damit könnt ihr wesentlich besseren Grafiken erstellen, was euch bei euren eigenen Vermögensaufstellungen hilft.
Diese Tipps helfen, um Fehler und visuelle Täuschungen einfach uns schnell identifizieren zu können. Happy Fehlersuche!
Achja, und wehe ihr mögt meine Illustrationen nicht! 😉
Wie denkt ihr über die Darstellung von Diagrammen? Habt ihr darüber schon einmal nachgedacht? Wo habt ihr das gelernt? Und wenn nicht, war der Beitrag hilfreich? Habt ihr weitere Tipps?