Jetzt ist es raus. Einige treue Leser fühlen sich scheinbar nicht mehr wohl in der Finanzcommunity. Einerseits verständlich, andererseits: Ihr Heuchler!
Info: Anscheinend hat der Couponschneider seinen Blog gelöscht. Die Links zu seinem Blog funktionieren deshalb nicht mehr. Daher habe ich die Verlinkungen gelöscht und die Original-URL nach den ehemaligen Verlinkungen eingefügt.
Der Couponschneider hat mit seinem Rückblicks-Artikel (ehemals: http://couponschneider.blogspot.co.at/2017/05/ein-kleiner-ruckblick-mit-ausblick-8.html#comment-form) aufsehen erregt. Sein quasi Rundumschlag gegen die Finanzblogszene ist härter als eine feministische Revolte gegen Patriarchen. Als „langweilig“, bezeichnet er seine zur Routine gewordenes investieren. Was noch? Andere Finanzblogs wiederholen sich, es gibt nichts Neues. Aufhänger: Die 72er Regel. Mann, checkt es doch endlich! Es ist nur eine einfache Berechnung – Der Couponschneider ist außer sich. Außerdem: Immer mehr Finanzblogs schießen aus dem Boden und lustige Namen geben sie sich noch dazu. Der Finanzrocker sei – sinngemäß – auch nicht mal das was er mal war. Auch die Kommentarspalte ist voller Apostel der Finanzreligion.
Was sagen die Leser dazu? Zusammengefasst:
Gurki: Zu viele Blogs, so viele kann man nicht lesen; liest weniger; gleiche Themen
Sparkojote: Differenzierter; Sowas passiert überall; Liegt am Hype; Mit Zeit kommt Rat; Er sieht es positiv, dass sich viele Menschen Gedanken machen. Jeder Beitrag ist anders.
Wirtschaftswaise: 80% liest er sowieso nicht – nach Kenntnissnahme der Überschrift; Wiederholungen; oder kein Interesse
Tobias: neue Finanzblogs als Störfaktor; fast keine Berichte mehr lesen;
Felix Meier: Finanzblogs abgestanden; 20 jähriger erzählt, wie man finanziell frei wird.
Ex-Studentin: Wiederholungen kann man nicht vermeiden; Setzt auf Privates
Anonym: Autosuggestion; Wichtig, dass man sich über das Geschriebene immer wieder Gedanken macht.
Das ist doch mal spannend, oder nicht?
Finanzapostel und Heuchler
Wenn ich den Beitrag und die Kommentare durchlese, schwirrt mir nur ein Begriff im Kopf herum: Heuchler!
Einerseits wird dauerhaft gepredigt, wie toll es ist über Finanzen zu sprechen, wie schön es doch ist, wenn ein neuer Apostel dem ausgewählten Kreis der Finanzfanatiker beitritt und das man doch so oft als möglich über Geld sprechen sollte. Andererseits trifft sich dann ein „Geheimzirkel“ in der Kommentarsektion und lässt sich über die Vielfalt neuer Gedanken – also Blogs – Wiederholungen und 72er-Regeln aus. (Übrigens, ich habe auch kürzlich darüber geschrieben – ich böser böser Wiederholungstäter) Wie passt das zusammen? Ist es Resignation, weil plötzlich der einst verschworene Kreis ganz und gar nicht mehr unter sich ist? In der Geschichte ist das ein gängiges Muster. Die eigene Macht schwindet, es kommt zu Machtkampf. Schumpeter würde von schöpferischer Zerstörung sprechen. Ein Unternehmer verschwindet von der Bildfläche, ein anderer kommt nach. Oder ist es eben doch nur Langeweile und die Sucht nach neuen Gedanken?
Zusätzlich zu dieser Absurdität wird sich über die Namensgebung von neuen und gediegenen Blogs ausgelassen. Sparkojote? Geldkatze? Finanzfisch? Das geht doch nicht! Was bilden sich diese Menschen ein? Ihre Kreativität können die doch woanders ausleben. Im persönlichen Sexleben, aber doch nicht bei der Namensgebung ihres Blogs. Unverschämtheit! Was denkt sich der Finanzleser dann wohl bei „Denkfabrik“? Wahrscheinlich, dass dieser Name so rein gar nichts mit Finanzen zu tun hat. „Hätte er lieber mal ein bisschen besser darüber nachgedacht. Dieser Penner.“ Ganz ehrlich: Die Diskussion hat mich nur sekundär erregt.
Wiederholungen lassen sich nicht vermeiden. Ich bin da voll bei Sparkojote, Ex-Studentin und dem anonymen Schreiberling. Denn was solls? So wird Wissen verbreitet. Macht es doch wie der Wirtschaftswaise, der schon bei den Überschriften aussortiert. Eine differenzierte Ansicht wäre aber angebracht. Nicht jeder Leser kommt sofort auf den Blog der Szenegrößen, sondern stattdessen auf einen kleineren Blog. Dort informiert er sich. Nach und nach lernt er neue Blogs kennen, sortiert aus und findet ein, zwei, drei Hauptblogs als Informationsquelle. Vielleicht gefällt ihm der Schreibstil besser, vielleicht die Aufbereitung, oder einfach nur die Persönlichkeit des Bloggers. Vielfalt schadet nicht. Und das ist nicht nur ein Grundsatz der Wirtschaftswissenschaften. Oder gehen wir am Besten in der Geschichte zurück. Eine kontrafaktische Annahme: Was wäre gewesen, wenn es neben der Kirche (Damals ein verdammt großer Influencer; die hatten das Monopol unter den Religionsbloggern) keine Menschen gab, die Gegenmeinungen in Buchform, Schnitzereien und Pamphleten veröffentlichten? Tschau Säkularisierung, Grüß Gott Religionsfanatiker.
Jeder Blogger will seine Erkenntnisse teilen. Erkenntnisse…oh mein Gott…ist es in der Wissenschaft nicht genauso? Theorien bestätigen heißt doch auch nur altes und bewährtes neu aufbereiten. So funktioniert es eben. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich glaube, auch bereits diskutierte Themen sind interessant. Bei meinem Emerging Markets Beitrag war das der Fall. Das war im Endeffekt ein ausführliches Update von Informationen und nicht nur ein schnell geschriebener Artikel. Recherche, Bildbearbeitung und Aufbereitungsarbeit standen dahinter. Anscheinend hat das auch „Oldies“ interessiert. Das heißt nicht, dass ein Beitrag immer ganz neue Informationen beinhalten sollte. Jeder Blogger soll zur Vielfalt, auch mit bereits oft gehörten Infos, beitragen. Noch etwas ist für das ständige „Aufwärmen“ verantwortlich: Blogger haben noch kein extrem tiefes Wissen und absolut zusammenhängendes Verständnis. Das braucht Zeit. Und ich Reihe mich hier ein. Blogbeiträge wachsen mit der Erfahrung des Bloggers.
Verständnis
So schön man sich jetzt über die Ansichten vom Couponschneider und den Kommentatoren auslassen kann, so muss ich mir eingestehen: Ja, ich habe Verständnis dafür. Manchmal wird es langweilig. Manchmal ähneln sich die Themen. Manchmal sind Dinge dabei, die man selbst schon tausendmal gehört hat. Manchmal ist die Namensgebung von Blogs irgendwie lustig. In letzter Zeit sind auch meine Besuche auf Finanzblogs rar geworden. Kommentare in der letzten Zeit? Wenige. Meine täglichen Besuche auf Finanzblogroll sind zurückgegangen. Woran liegt das? Habe ich auch das Gefühl, dass es langsam zu viel wird? Nein. Viel mehr bin ich zeitlich momentan sehr im Real Life gebunden. ABER: Auch mein Interesse, mich extrem intensiv mit Finanzthemen zu beschäftigen, ist in letzter Zeit zurückgegangen. Das heißt nicht, dass mich das gar nicht mehr interessiert, sondern einfach die Prioritäten momentan woanders liegen. Vielleicht ändert sich das vollkommen. Dann werde ich auch meine Blog-Aktivität zurückschrauben und es dem Couponschneider gleich machen.
Der fehlende Part
Was können wir aus der Analyse lernen? Was fehlt in unserer Gemeinschaft der Finanzfanatiker? Erinnert ihr euch noch an den Vergleich mit der Wissenschaft? Liegt der Fehler hier? Bestätigen wir uns immer wieder selbst aber gehen keinen Schritt weiter? Liefert die Finanzszene wenig an Explikation und neuen Ideen? Kann sein. Vielleicht fehlt der Tiefgang. Vielleicht fehlt Spezialwissen. Vielleicht aber auch nur Humor und Privatansichten. Ich glaube, die „Oldies“ sehnen sich nach den tiefen Infos, den neuen Ideen. Aber bitte belehrt mich, wenn ich falsch liege.
Was mir persönlich fehlt, ist eine intensivere Zusammenarbeit. Eine Reibung. Ein Aufbegehren. Ein Ansprechen von unangenehmen Themen (Stichwort Affiliate Links) Teilweise das, was Couponschneider mit seinem Artikel bewirkt hat. Bloggerkollegen versuchen das aufzubrechen. Pascal von fyoumoney, Vincent von freakyfinance gehören dazu, aber auch Dominik von finanziell-frei-mit-30 hat mit seiner Blogübersicht einen Schritt in diese Richtung gemacht (zumindest könnte man das so interpretieren). Aber was meine ich damit genau? Beispielsweise die Reaktion auf meinen Beitrag „binäre Optionen“ von fuckyoumoney, was wiederum eine Reaktion meinerseits im gleichen Beitrag hervorrief. Freakyfinance verlinkt gerne mal von alten Artikeln auf neue Beiträge von Bloggern. Hut ab.
Schlussfolgerung
Der Couponschneider hat eine wichtige Diskussion angeregt, die von der Community nicht ignoriert werden sollte. Und so viel man daran kritisieren kann, genau so viel kann man dem kurzen Beitrag und geschriebenen Kommentaren abgewinnen. Deshalb sage ich zu euch: Oh Finanzjünger, lasst uns akzeptieren die Vielfalt der Finanzblogszene und uns weise überlegen beim Klick auf einen Beitrag. Lasst uns nicht verachten die Namen neuer Apostel und vergebe ihnen ihre Wiederholungen. Lasst uns finden neue Ideen und freshe Themen. Halleluja!
Was wird in nächster Zeit meine Aufgabe sein? Reibung. Sexy Reibung. Oh yeah Baby.
Und jetzt kreuzigt mich.